Wenn die weiße Decke wächst, wächst auch die Frage: Hält der Beton das aus? Wer räumt, wann, wie viel, und was sagt die Statik dazu? Zwischen Romantik und Realität liegt ein Rand aus Eis, der schnell zur Grenze der Tragfähigkeit wird.
Der Morgen beginnt mit Stille. Die Balkonbrüstung ist zu einem weißen Rücken geworden, der Blumenkasten trägt eine Mütze, und irgendwo knackt etwas, als hätte der Frost die Zeit gedehnt. Ich höre, wie der Beton ganz leise arbeitet. Auf dem Balkon gegenüber schiebt eine ältere Nachbarin mit einem Besen Schneewellen zur Kante, als würde sie Teppich klopfen, und unter dem Dach tropft es. Der Atem hängt in der Luft, neben den Topfen steht ein verschneites Liegestuhlgestell, zu schwer, um es jetzt reinzuholen. Ein Schritt auf die Platte, die Schuhe sacken ein, und plötzlich ist da dieses Gefühl: Gewicht, das man nicht sieht, nur spürt. Zu viel?
Wie schwer ist Schnee wirklich?
Schnee ist nicht gleich Schnee. Pulvriger Neuschnee wirkt wie Luft und bringt oft kaum Last, nasser Spätwinterschnee ist ein anderes Kapitel, er packt sich dicht, klamm, schwer. Schnee ist nicht nur weiß und weich, er ist Gewicht. Wer auf dem Balkon 20, 30, 40 Zentimeter misst, schaut nicht auf Schönheit, sondern auf eine Zahl, die in Kilogramm pro Quadratmeter denkt – und damit auf die Sprache der Statik.
Ein Beispiel macht es greifbar: 30 Zentimeter feuchter Schnee mit etwa 300 Kilogramm pro Kubikmeter Dichte ergeben 0,3 m × 300 kg/m³ = 90 kg/m². Klingen 90 kg viel? Stell dir drei volle Kisten Mineralwasser auf einem Quadratmeter vor. Wird der Schnee schwerer – sagen wir 50 Zentimeter nasser Nassschnee bei 400 kg/m³ –, sind es schon 200 kg/m². Dazu kommt, was wir selbst tragen: Personen, Blumenkübel, ein Tisch, eine Box mit Erde. Mühelos landet man rechnerisch bei 250 bis 300 kg/m².
Tragwerksleute rechnen mit Normen und Sicherheitsbeiwerten, mit Zonen für Schneelasten und Kombinationen von Lastfällen. Ein Balkon ist häufig als Kragplatte gebaut: Der Beton ragt aus der Hauswand, die Hauptmomente sitzen am Einspannpunkt. Die Last verteilt sich nicht gleichmäßig. Vor der Brüstung türmt sich Schnee gern durch Windverwehungen, an der Wand bleibt er flacher. Ein Geländer aus Glas kann wirbelnde Taschen erzeugen, die punktuell doppelt so viel Last produzieren wie der Mittelwert. Dass nichts wippt, heißt nicht, dass nichts arbeitet.
So prüfst du deinen Balkon – und räumst richtig
Beginne mit einer einfachen Messung: Stecke einen Holzstab oder Zollstock senkrecht an drei bis fünf Stellen in den Schnee, notiere die Tiefe und nimm den Mittelwert. Für die Dichte hilft ein Küchentrick: Fülle einen 10-Liter-Eimer mit repräsentativem Schnee, wiege ihn und rechne um. Last in kg/m² = Schneedicke in Metern × Schneemasse in kg/m³. So bekommst du in zehn Minuten einen Wert, der mehr sagt als Bauchgefühl.
Räumen ist kein Kraftakt, sondern eine Linie: Schiebe den Schnee in flachen Zügen zur freien Kante, nicht an die Brüstung, und bilde keine hohen Haufen. Verwende eine Kunststoffschaufel statt Metall, um die Abdichtung nicht zu verletzen. Wir kennen alle diesen Moment, in dem man “nur schnell” mit der Kante kratzt – und dann ist eine Rille im Belag. Seien wir ehrlich: Das macht im Alltag kaum jemand. Besser: In Etappen räumen und die Fläche wieder frei laufen, bevor Druckränder gefrieren.
Wenn du unsicher bist, halte einen Moment inne und beobachte die Platte: Gibt es neue Risse, ungewöhnliche Setzungen, klemmt die Balkontür plötzlich?
“Ich rate: Nicht in Panik verfallen, sondern messen, dokumentieren, gleichmäßig räumen – und bei sichtbaren Schäden eine Fachperson rufen.” – Dipl.-Ing. Petra Lang, Tragwerksplanerin
- Messpunkte markieren und nach dem Räumen erneut prüfen
- Abflüsse freilegen, damit Schmelzwasser weg kann
- Keine Salzstreuung auf Beton, Splitt oder Sand nehmen
- Schneelast nicht auf Nachbarbalkon oder Vordach schieben
Wenn dich der Bauch des Betons beunruhigt, hol dir Hilfe.
Was bleibt nach dem Schneefall
Schnee auf dem Balkon ist eine Einladung, genauer hinzusehen: zur eigenen Gewohnheit, zur Bauweise eines Hauses, zur Frage, wie viel Verantwortung in einem Handgriff steckt. Die weiße Fläche ist dann nicht nur Deko, sondern ein physisches Ereignis, das sich an Zahlen, Spuren und kleinen Geräuschen ablesen lässt. Wer misst, versteht, und wer versteht, handelt gelassener. Das Reduzieren von Last ist kein heroischer Akt, es ist ein ruhiger. Es entsteht Raum: für den Blick in die Straßenkurve, für die Nachbarin mit dem Besen, für die Sicherheit, die man nicht postet, sondern lebt. Vielleicht erzählt man beim nächsten Kaffee nicht vom Schneechaos, sondern vom Eimer, der die Angst in eine Zahl verwandelt hat. Und jemand hört zu, hebt den Kopf – und zählt mit.
| Point clé | Détail | Intérêt pour le lecteur |
|---|---|---|
| Schneelast schätzen | Tiefe messen, Eimer wiegen, kg/m² berechnen | Aus Unsicherheit werden konkrete Zahlen |
| Räumen ohne Schäden | Kunststoffschaufel, flache Züge, Abflüsse frei | Belag, Abdichtung und Statik schonen |
| Warnzeichen deuten | Neue Risse, Türen klemmen, sichtbare Durchbiegung | Rechtzeitig handeln statt riskieren |
FAQ :
- Wieviel Schnee pro m² wird auf dem Balkon kritisch?Es hängt von Region, Baujahr und Konstruktion ab. Als grobe Orientierung: Bei 150–200 kg/m² sollte man räumen, bei sichtbaren Schäden früher.
- Wie rechne ich die Last ohne Formeln?Messe die Tiefe und nutze ein Gefühl für Dichte: Pulvrig ≈ 50–100 kg/m³, feucht ≈ 200–300, nass ≈ 300–500. Tiefe in m × Dichte = kg/m².
- Darf ich Salz streuen, um Eis zu lösen?Nein, Salz greift Beton, Fugen und Geländer an. Besser Splitt, Sand oder einen Enteiserspray, der für Beton geeignet ist.
- Was tun, wenn der Schnee zu einer Eisplatte geworden ist?In Schichten arbeiten: Oberflächlich anritzen, mit lauwarmem Wasser und Besen lockern, Splitt streuen. Keine harten Schläge mit Metallwerkzeug.
- Wer haftet, wenn Schnee vom Balkon fällt?Je nach Hausordnung und Landesrecht liegt die Verkehrssicherungspflicht bei Eigentümer:innen oder Mieter:innen. Im Zweifel Verwalter:in kontaktieren und sichern.









