Mietrecht-Irrtum: Müssen Mieter beim Auszug wirklich immer streichen?

Mietrecht-Irrtum: Müssen Mieter beim Auszug wirklich immer streichen?

Beim Auszug noch schnell die Wände weiß rollen? Viele Mieter tun es aus Reflex – und zahlen dafür Zeit, Geld und Nerven. Das Mietrecht kennt klare Regeln zu Schönheitsreparaturen, doch zwischen Gerüchten im Hausflur und vagen Klauseln im Vertrag liegt ein Minenfeld. *Ein frischer Anstrich ist nicht immer Pflicht.*

Auf dem Boden stehen drei Umzugskartons, einer halb offen, eine eingerissene Ecke. Der Vermieter kommt mit verschränkten Armen, tippt mit dem Kugelschreiber an die Wand und sagt diesen Satz, den man im Treppenhaus zu oft hört: „Beim Auszug muss alles weiß sein.“

Vor dem Fenster dröhnt die Straße, drinnen wird es still. Du kramst den Mietvertrag hervor, Kleingedrucktes, irgendwo zwischen Kündigungsfrist und Kaution versteckt sich das Wort „Schönheitsreparaturen“. Der Nachbar erzählt, er habe nie gestrichen, die Verwalterin sagt, es sei so üblich.

Ein paar Fotos genügen, die Wände sind gebraucht, nicht verwüstet. Ein paar Dübellöcher, ein Schatten über der Heizung. Der Vermieter schiebt einen Kostenvoranschlag über den Tisch: 1.450 Euro. Er klingt wie eine Ansage. Und dann die Frage, die alles kippt.

Was das Gesetz wirklich verlangt

Viele glauben: Wer auszieht, muss zwingend streichen. Das stimmt so nicht. Maßgeblich ist, ob eine wirksame Schönheitsreparaturklausel im Vertrag steht – und ob die Wohnung beim Einzug renoviert war oder dafür ein Ausgleich gezahlt wurde.

Der Bundesgerichtshof hat über Jahre Präzision geschaffen. **Starre Fristen sind unwirksam**, genauso pauschale Endrenovierungspflichten. War die Wohnung bei Einzug unrenoviert, tragen Mieter die Malerlast meist nicht. Und Quotenabgeltungsklauseln – also anteilige Zahlungen nach Zeit – sind schon länger vom Tisch.

Heißt übersetzt: Nicht der Auszug entscheidet, sondern Ausgangslage und Vertrag. Gibt es gar keine Klausel, bleibt die Pflicht beim Vermieter. Gibt es eine, muss sie fair formuliert sein und an den Zustand anknüpfen. Das Recht bevorzugt keine Farbe, sondern Verhältnismäßigkeit.

Ein Bild aus Köln: Lena zieht 2016 in eine unrenovierte Altbauwohnung, mit Abnutzungsspuren, die man nicht wegreden kann. Der Vertrag enthält eine Endrenovierungsklausel, knapp, kategorisch. Drei Jahre später fordert der Vermieter den Komplettanstrich.

Lena zahlt nicht, sie hakt nach – und landet beim Mieterverein. Ergebnis: Klausel unwirksam, weil unrenovierter Einzug ohne Ausgleich. Die Wohnung geht „besenrein“ zurück, nicht klinisch neu. Der Kostenvoranschlag wandert in die Schublade, und plötzlich fühlen sich Grundregeln wie ein Rettungsring an.

Solche Geschichten sind keine Einzelfälle. Mietervereine berichten, dass viele Verträge noch Formulierungen enthalten, die nach neuerer Rechtsprechung nicht halten. Das heißt nicht, dass nie gestrichen werden muss. Es heißt: prüfen, nicht blind rollen.

Es gibt einen klaren Unterschied zwischen Schönheitsreparatur und Schaden. Alltägliche Abnutzung – leichte Schatten, gewöhnliche Dübellöcher – fällt unter „normal“. Tiefe Risse, großflächige Spachtelschäden oder Nikotinbeläge sind „mehr als normal“.

Bunte Wände sind ein Sonderfall. Wer eine knallige Fläche in Purpur, Schwarz oder Neongrün hinterlässt, muss sie am Ende in einen neutralen Zustand bringen. Nicht zwangsläufig Schneeweiß, aber so, dass potentielle Nachmieter nicht erschrecken.

Wichtig ist der Einzugszustand. War damals alles frisch gestrichen, kann eine flexible, wirksame Klausel am Ende greifen. War es das nicht, liegt die Malerpflicht eher beim Vermieter. **Grellbunt ist riskant**, normales Wohnen nicht.

Der 5-Minuten-Check vor dem Auszug

Nimm den Mietvertrag und markiere drei Stellen: Schönheitsreparaturen, Fristen, Endrenovierung. Suche nach Worten wie „starr“, „immer“, „unabhängig vom Zustand“. Solche Formulierungen kippen oft.

Erinnere dich an den Einzug: renoviert oder nicht? Gab es Geld- oder Mietnachlass dafür? Wenn nein, spricht viel gegen deine Anstreichtpflicht. Fotos vom Einzug sind Gold wert. Zwei aktuelle Handyfotos pro Raum helfen, den Verlauf zu zeigen.

Begeh die Wohnung mit Blick für „normal“ vs. „mehr als normal“. Kleine Dübellöcher: zuspachteln. Große Putzschäden: sorgfältig ausbessern. Nikotin oder extreme Farbtöne: neutralisieren. Mehr braucht es meist nicht.

Häufigste Fehler: in Panik teuren Maler beauftragen, obwohl die Klausel wackelt. Oder im Gegenzug gar nichts tun, obwohl die Wände wirklich stark abgenutzt sind. Wir alle kennen diesen Moment, in dem der Kopf lauter ist als der Vertrag.

Sprich früh mit dem Vermieter, aber verbindlich. Ein Übergabeprotokoll mit Fotos schützt beide Seiten. Mach’s dir leicht: Räume sauber fegen, Müll raus, Küche wischen, Bad entkalken, grobe Spuren entfernen. **Besenrein statt blitzblank** ist eine echte Leitlinie.

Seien wir ehrlich: Niemand rollt Raufaser perfekt im ersten Zug. Wenn du selbst streichst, dann nur mit ordentlichem Material, in Ruhe, mit Abklebekante. Schlampige Farbe auf Sockelleisten ist am Ende teurer als nicht zu streichen.

„Nicht streichen, nur weil es jemand behauptet – streichen, wenn es rechtlich und praktisch Sinn ergibt.“ So sagt es eine Berliner Mietrechtsanwältin, die solche Gespräche täglich führt. Und sie ergänzt: „Ein Foto schlägt zehn Meinungen.“

„Die Rückgabe muss neutral und gepflegt wirken, nicht neu gebaut. Das Gesetz schützt vor Übertreibung – auf beiden Seiten.“

  • Unwirksam: starre Fristenpläne ohne Rücksicht auf den Zustand
  • Unwirksam: pauschale Endrenovierung nach Auszug
  • Unwirksam: Quotenabgeltung („anteilig zahlen“)
  • Wirksam: faire Klausel + renovierter Einzug oder Ausgleich
  • Pflicht: außergewöhnliche Farben wieder neutralisieren

Blick nach vorn: fair wohnen, fair ausziehen

Wenn Mieter nicht blind streichen und Vermieter nicht blind fordern, gewinnen beide Zeit und Geld. Denn Anstriche sind keine Ritualhandlung, sondern eine Frage der Ausgangslage, des Zustands und der Worte im Vertrag.

Es gibt noch einen Punkt, der gern vergessen wird: Ist die Wohnung unrenoviert übergeben worden und inzwischen „reif“ für einen Anstrich, kann der Vermieter sich an den Kosten beteiligen, wenn renoviert wird. Gerichte haben hier Modelle bejaht, die eine faire Teilung ermöglichen.

So wird aus einem Abschied kein Streit, sondern ein kleiner Aushandlungsprozess. Manchmal reicht Spachtel, Seife und ein gutes Protokoll. Manchmal lohnt ein sauberer Rollauftrag – nicht aus Angst, sondern aus Vernunft.

Point clé Détail Intérêt pour le lecteur
Schönheitsreparaturen prüfen Klausel, Einzugszustand, Wortlaut („immer“, „starr“) Schneller Weg zur klaren Entscheidung
Normal vs. Schaden Dübellöcher okay, extreme Farben neutralisieren, echte Schäden beheben Vermeidet unnötige Kosten und Ärger
Besenrein reicht Fegen, wischen, Müll raus – kein Hotelglanz Realistische Erwartung, weniger Stress

FAQ :

  • Muss ich beim Auszug immer streichen?Nein. Nur wenn eine wirksame Schönheitsreparaturklausel besteht und die Wohnung bei Einzug renoviert war oder ein Ausgleich gezahlt wurde. Auffällige, grelle Farben musst du neutralisieren.
  • Was bedeutet „besenrein“ konkret?Grob sauber: Böden fegen oder saugen, Oberflächen wischen, Müll und Spinnweben entfernen. Kein Fensterputz auf Hochglanz, kein Teppichshampoonieren.
  • Darf der Vermieter einen Profi-Maler verlangen?Nicht pauschal. Die Arbeiten müssen „fachgerecht“ sein. Das kann ein sauberer Eigenanstrich sein. Nur bei Vereinbarung oder gravierenden Mängeln kommt der Profi ins Spiel.
  • Wie gehe ich mit Dübellöchern um?Kleine Löcher verspachteln und glattziehen. Riesige Krater oder gebrochene Stellen ordentlich reparieren. Ein paar saubere Löcher gelten als üblich.
  • Der Vermieter pocht auf „alles weiß“. Was tun?Schriftlich um Rechtsgrundlage bitten, auf Vertrag und Einzugszustand verweisen, Fotos beilegen. Fristen setzen, notfalls Mieterverein oder Beratung einschalten.

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